Als Hofer im Sommer 2018 mit seiner Bio‑Marke Zurück zum Ursprung neue Vorgaben für den Outdoor‑Zugang von Milchkühen einführte, geriet ein Teil der osttiroler Bauern in die Klemme. Werner Lampert, Markenmanager, erklärte, dass die Regelung allen 1.700 teilnehmenden Betrieben auferlegt wurde und mit einem Aufpreis von 2 Cent pro Kilogramm Milch kompensiert werden soll. Die neue Anforderung gilt Osttirol genauso wie in allen anderen Bergregionen Österreichs.
Seit 2014 kauft Hofer Bio‑Milch über das Projekt Zurück zum Ursprung von der Berglandmilch. Im Juli 2018 wurde das Projekt um die verpflichtende Outdoor‑Zeit erweitert: Jede Kuh muss mindestens zwei Stunden täglich, an 365 Tagen im Jahr, auf einer Weide oder im Freien verbringen. Einführung der 365‑Tage‑Outdoor‑Access‑RegelungÖsterreich war damit das offizielle Startsignal.
Die Vorgabe ist technisch über zwei Wege erfüllbar: Entweder ein moderner Laufstall (Free‑Stall‑Barn) mit direktem Auslauf, oder, bei Anbindehaltung, ein täglicher Spaziergang, der nur bei extremen Wetterlagen ausgesetzt werden darf. Ziel war es, das Tierwohl zu stärken und gleichzeitig ein klares Qualitätsmerkmal im umkämpften Discount‑Bio‑Markt zu schaffen.
Der „Berg‑Special“ für Osttirol zeigte schnell Grenzen auf. Laut einer Schätzung sind etwa Johannes Prinster und 119 weitere Landwirte von der neuen Auflage betroffen – das entspricht ungefähr einem Drittel der dortigen Bio‑Milcherzeuger. In den südlichen Alpen, wo die Hänge steil und die Winter hart sind, liegt die durchschnittliche Stallfläche oft nicht für einen freien Laufstall aus. Stattdessen nutzen viele Betriebe die traditionelle Anbindehaltung, bei der die Tiere im Winter im Stall bleiben und im Sommer nur 180 Tage auf Almen grasen.
„Das ist graue Theorie, die weit weg von der Realität unserer Berge ist“, schimpfte Klaus Unterweger, Alt‑Bürgermeister von Kals und Eigentümer des Spöttlinghofs. Er betonte, dass kleine Höfe meist nur fünf bis sieben Kühe halten und dass ein täglicher zweistündiger Auslauf bei starkem Schneefall einfach nicht machbar sei.
Die osttiroler Bauernverbände organisierten Termine mit Hofer‑Vertretern, um die Situation zu erläutern. Die Hauptkritikpunkte waren die fehlende Flexibilität bei extremen Wetterlagen und die fehlende finanzielle Unterstützung für den Bau von Laufställen in schwer zugänglichen Gebieten. Werner Lampert reagierte, dass die Regelung bereits in Steiermark erfolgreich umgesetzt wurde und dass die Kostenunterschiede in Osttirol nicht größer seien.
Dennoch hielt Hofer an der Vorgabe fest und verkündete, dass ab 2021 ausschließlich Milch aus freien Laufställen akzeptiert wird. Berglandmilch kündigte an, die betroffenen Bauern bis Ende 2020 weiterhin die vertraglich garantierten Projektprämien zu zahlen, obwohl ihre Milch nicht mehr für das Zurück zum Ursprung-Label verarbeitet wird.
Die unmittelbare Konsequenz war, dass die betroffenen 117 Bio‑Bauern ihre Milch nicht mehr an Hofer liefern konnten. Die Menge war zu klein, um separate Logistik anzusetzen – ein klassisches Skalierungsproblem in der Alpenregion. Stattdessen wird die Milch nun an andere regionalen Abnehmer verkauft, wobei die Preise leicht unter dem Hofer‑Niveau liegen.
Einige Bauern erwägen, ihre Stallanlagen aufzurüsten, doch die Investitionskosten von € 150 000 bis € 250 000 für einen modernen Laufstall sind für kleine Höfe kaum zu stemmen.
Der Streit um den Outdoor‑Zugang verdeutlicht die wachsende Kluft zwischen überregionalen Tierwohlstandards und den realen Bedingungen alpiner Landwirtschaft. Experten sehen in der Situation ein Warnsignal: Wenn Konzernmarken wie Hofer zu strengen, einheitlichen Vorgaben greifen, könnten traditionelle Bergbauern langfristig aus dem Markt gedrängt werden.
Prof. Dr. Maria Baumgartner vom Institut für Agrarökonomie in Innsbruck warnt, dass „ohne gezielte Förderprogramme für den Ausbau von Laufställen in schwer zugänglichen Gebieten die Biodiversität der Alpenweiden leidet und gleichzeitig die Wirtschaftsstruktur der Region gefährdet ist“.
Die Diskussion ist jedoch nicht tot. Im Herbst 2019 startete das Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK) ein Pilotprojekt, das Förderungen von bis zu 30 % für den Bau von Laufställen in Gebirgsregionen vorsieht. Ob Hofer und andere Einzelhändler die Programme künftig unterstützen, bleibt abzuwarten.
Hofer möchte mit dem Konzept Zurück zum Ursprung ein deutliches Tierwohl‑Signal setzen und sich von Mitbewerbern abheben. Studien zeigen, dass ein täglicher Auslauf Stress reduziert und die Milchqualität verbessert – ein Marketingvorteil im wachsenden Bio‑Segment.
Laut Markenmanager Werner Lampert erhalten die Bauern 2 Cent pro Kilogramm Milch als Aufwandspauschale. Für einen durchschnittlichen Hof mit 6 000 kg Milch pro Jahr entspricht das rund € 120, was jedoch kaum die Investitionskosten für neue Stallungen deckt.
Derzeit können sie die Milch an andere regionale Abnehmer verkaufen oder, im Falle von Fördergeldern, langsam in einen Laufstall investieren. Eine weitere Möglichkeit wäre, auf konventionelle (nicht‑bio) Abnahmen umzusteigen, verliert dabei jedoch das Bio‑Premium.
Umfragen von Caritas Austria aus 2019 zeigen, dass 68 % der Befragten bereit sind, für Milch aus Laufställen bis zu 10 % mehr zu zahlen. Dennoch bleibt die Preis‑Sensibilität hoch, besonders in ländlichen Gebieten.
Ja. Das Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie hat im Herbst 2019 ein Pilotprogramm gestartet, das bis zu 30 % der Kosten für den Bau von Laufställen in bergigen Regionen bezuschusst. Die genauen Konditionen werden jedoch erst 2024 endgültig festgelegt.